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Einsatz von Biofeedback zum Training der Herzratenvariabilität (HRV) zur Bewältigung von Stress und emotionalen Ungleichgewichtszuständen (Angst, Depression).

 

Die Neue Medizin der Emotionen nach Dr. David Servan-Schreiber

 

 

Zur Ausgangssituation

 

Rund 61 Prozent der Bundesbürger wollen 2009 Stress abbauen, wie eine veröffentlichte bundesweit durchgeführte Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) ergab. Jeder zweite der Befragten gab an, unter Zeitdruck im Beruf zu leiden und mehr als 4 von 10 Personen empfanden sogar ihren ganz normalen Alltag als stressig.

 

Interne Untersuchungen bei AOK und DAK zeigen, dass krankheitsbedingte Fehltage im vergangenen Jahr (2008) zwar nur leicht zugenommen haben, aber insgesamt immer mehr psychische Erkrankungen dafür verantwortlich sind. Die AOK gab an, dass seit dem Jahr 1995 die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen um 80% gestiegen sind, während gleichzeitig andere Erkrankungen zurückgegangen sind.

 

Die Anfang 2009 veröffentlichten Zahlen der DAK zum Thema Doping am Arbeitsplatz sind symptomatisch für die heute Zeit. Bei den befragten Arbeitnehmern im Alter zwischen 20 und 50 Jahren hielt jeder fünfte Arbeitnehmer die Einnahme von Medikamenten ohne medizinische Erfordernisse für vertretbar, um die eigene Leistung im Job zu steigern. Jeder 20. Befragte (das entspricht ca. 2 Millionen gesunde Arbeitnehmer in Deutschland) hatte bereits selbst einmal versucht, seine Leistunsfähigkeit und/oder seine Stimmung mit entsprechenden Medikamenten zu verbessern. Männer bevorzugen dabei Medikamente, die die Leistung steigern, Frauen eher solche, die die Stimmung aufhellten.

 

In einem Fachartikel von Prof. Dr. Reinhard Voß mit dem Titel „Anpassung und Leistung durch Medikamente? Arzneimittelkonsum von Kindern und Jugendlichen im

Schulalter“ aus dem Jahr 2000 fand ich folgende Hinweise. Zitat:

„Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren erhalten im Durchschnitt genauso viele Medikamente, wie die Altersgruppe der 45 bis 49jährigen (!) (Schwabe 1997). In einer repräsentativen Studie für Nordrhein-Westfalen, die wir für das MAGS, NW (1989) durchgeführt haben, konnten wir folgende Zahlen für den Medikamentenkon- sum der 6 bis 14jährigen feststellen: 28,6% der Kinder nahmen in den letzten vier Wochen Arzneimittel ein, 70% ein Arzneimittel, 19% zwei und 11% drei und mehr.

Untersuchungen an Schülerinnen und Schülern im Alter von 13-17 Jahren zeigten, dass neben Kopfschmerzmitteln (wöchentlich 7%) und Herz-Kreislaufmitteln (wöchentlich 4%) etwa 2% Beruhigungs- und Schlafmittel sowie 2% Anregungsmittel einnehmen". (Glaeske, Rumke 2000) Jüngere Schulkinder erhalten Multivitaminpräparate und andere Mittel, die konzentrationsfördernd wirken sollen.“

 

Der Medikamentenkonsum bei Kindern und Jugendlichen ist nach Ansicht des Suchtexperten Rudolf Barth alarmierend. Kopfschmerz- und leistungssteigernde Konzentrationsmittel gehörten zum Alltag, um in der Schule und in Gruppen zu funktionieren, sagte der Chef der Suchtberatungsstellen beim Caritas-Diözesanverband des Bistums Trier 2001 in einem dpa-Gespräch.

 

In einer Pressemitteilung vom 17.09.2008 stellt Berlins Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher die Ergebnisse einer 2006 in Berlin durchgeführten Studie zu Gesundheitszustand und Lebensbedingungen von Berliner Schülerinnen und Schüler im Alter von 11 bis 15 Jahren vor. Im Ergebnis klagte ein Viertel (24 %) der Befragten über mindestens zwei wiederholt auftretende psychosomatische Beschwerden (z. B. Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Einschlafprobleme) in den letzten sechs Monaten. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die unter wiederkehrenden psychosomatischen Beschwerden leiden, ist seit dem Jahr 2002 deutlich (20 %) angestiegen. Bezogen auf den Medikamentenkonsum wurde ermittelt, dass die Hälfte der Befragten im letzten Monat mindestens ein Medikament eingenommen hat, am häufigsten wegen Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen. Dabei greifen Mädchen offensichtlich öfter zur Tablette als Jungen.

 

In der Onlineausgabe der WELT (03.01.2008) findet sich die Veröffentlichung einer Studie der Techniker Krankenkasse (TK) aus dem Jahr 2007 über gut 130.000 Studierenden im Alter von 20 bis 34 Jahren, die in Kiel veröffentlicht wurde.

Fast zehn Prozent der an Hochschüler insgesamt verordneten Medikamente waren der Untersuchung zufolge Psychopharmaka. Demnach bekamen Studenten im Alter von 20 bis 34 Jahren Antidepressiva für fünf Tagesrationen im Jahr. Im Vergleich dazu erhielten Berufstätige in dieser Altersgruppe Antidepressiva nur für 3,5 Tage jährlich. Als psychisch belastende Faktoren nennen die Studenten Zeitdruck, Hektik an der Hochschule und fehlende Rückzugsmöglichkeiten.

"Die Auffälligkeiten zeigen, dass Leistungsdruck und Stress mit allen negativen Folgen zum Uni-Alltag gehören“, sagte der Sprecher der TK Schleswig-Holstein, Volker Clasen. Dabei nimmt der Anteil der Studierenden, die Antidepressiva bekommen, mit dem Alter zu. "Von den 30- bis 34-Jährigen bekamen mehr als drei Prozent der männlichen und fast sechs Prozent der weiblichen Studenten Medikamente gegen Depressionen verordnet“, erläuterte Clasen.

 

Halten wir fest: Stress und in der Folge psychische Erkrankungen nehmen zu. Damit verbunden auch der Medikamentenkonsum. Langfristig werden sich diese Auswirkungen auch auf der körperlichen Ebene zeigen (z. B. als Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Burnout etc.).

 

 

Wege aus dem Stress

 

In seinem Buch „Die neue Medizin der Emotionen“ schreibt Dr. Servan-Schreiber: „Klinische Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass hinter 50 bis 75 Prozent aller Arztbesuche vor allem Stress steht und dieser in Bezug auf die Sterblichkeit einen größeren Risikofaktor darstellt als Rauchen“. Deutliche Worte.

 

Was für den Einzelnen Stress auslöst, kann individuell sehr unterschiedlich sein. Die Antwort des Organismus ist jedoch ziemlich einheitlich: das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, die Atmung ist angestrengt, die Hände oder andere Körpergebiete beginnen zu schwitzen, zahlreiche Gedanken fluten das Bewusstsein, offenkundige Dinge werden übersehen und Fehler schleichen sich leichter ein. Jeder kann sich bestimmt noch an die Prüfungssituationen in seiner Schulzeit  erinnern.

Ausgelöst werden diese Dinge durch das Ausschütten von Stresshormonen wie Adrenalin und Kortisol. Im Akutfall ist diese Aktivierung durch Stress sinnvoll und kann uns in Gefahrensituationen vielleicht sogar das Leben retten. Solange Anspannung und Entspannung im Gleichgewicht stehen, kann uns Stress wenig anhaben. Wenn aber eine Stressreaktion zu einem chronischen Dauerzustand wird, dann kann es uns gesundheitlichen Schaden zufügen. Chronischer Stress führt oft zu Veränderungen und Störungen in Herz und Kreislauf, Atmung, Verdauung und Immunsystem. Die Tatsache, dass Psyche, Nervensystem und Immunsystem eng miteinander verbunden sind, findet seinen Ausdruck in der Psychoneuroimmunologie, einem neuen medizinischen Fachbereich.

Sehr viele Erkrankungen werden mit einer chronisch gewordenen Stressreaktion in Verbindung gebracht, bzw. durch diese unterhalten und gefördert: Bluthochdruck, verschiedene Herzerkrankungen, Kopfschmerzen und Migräne, Tinnitus, Erschöpfungszustände, Magenentzündungen und -geschwüre, Schlafstörungen, Impotenz, Infektanfälligkeit, Wundheilungsstörungen, Angststörungen und Depressionen, um nur einige zu nennen.

 

Natürlich liegt der wesentliche Ansatz im Vermeiden von Stress. Viele Stressoren lassen sich aber leider nicht immer vermeiden. Böse Schwiegermütter lassen sich nicht einfach austauschen und der Wechsel einer Arbeitsstelle in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ist auch nicht gerade einfach. Neben der Stressvermeidung kommt daher der Stressbewältigung ein hoher Stellenwert zu. Wenn wir lernen, unsere individuelle Antwort auf Stress zu kontrollieren, können wir im Gleichgewicht bleiben. So sind wir von den äußeren Umständen weniger abhängig.

 

Der emotionale Anteil unseres Gehirns, das sog. Limbische System, kontrolliert über das Vegetative Nervensystem einen Großteil der Körperfunktionen wie Herzrhythmus, Blutdruck, Hormonhaushalt, sowie das Verdauungs- und Immunsystem. Gerät dieses System durch innere oder äußere Stressoren aus dem Gleichgewicht, sind Stress, Ängste und Depressionen die Folge.

Im Wesentlichen findet die Reaktion zwischen dem durch Stress aktivierten Sympathikus und dem durch Entspannung geförderten Parasysmpathikus statt.

 

Interessant ist dabei, dass es eine direkte Verbindung zwischen unserem Herzen und dem Limbischen System gibt. Herz und Emotionen hängen also tatsächlich eng zusammen. Nach aktuellen Studienergebnissen gilt es als gesichert, dass eine depressive Verstimmung sowohl die Häufigkeit der Koronaren Herzerkrankung als auch die Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt erhöht, und zwar um das Zwei- bis Dreifache. Ähnliches gilt für die Herzinsuffizienz. Da Sympathikus und Parasympathikus des Vegetativen Nervensystems versuchen, immer im Gleichgewicht zu bleiben, beschleunigen und verlangsamen sie den Herzschlag ständig. Deshalb ist der Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Herzschlägen nie gleich. Diese Veränderlichkeit bzw. Variabilität des Herzschlages nennt man Herzratenvariabilität (HRV). Sie wird durch Atmung, Hormone, Gefühle, Stress, Alter, etc. beeinflusst. Bei gesunden Menschen erhöht sich der Puls während Sie einatmen und verringert sich, während Sie ausatmen. Je größer die Pulsveränderlichkeit (=Variabilität), desto gesünder das Herz und das Nervensystem. HRV ist Alter- und Geschlechtsabhängig, was bedeutet, dass mit zunehmendem Alter die Veränderlichkeit abnimmt.

 

Wie emotionale Belastungen, Stress oder Depressionen auf das Herz wirken, kann man durch Messungen dieser Herzratenvariabilität (HRV) diagnostisch sichtbar machen. Im Falle von Stress, Angstgefühlen wird der Rhythmus des Pulses ungleichmäßig und „chaotisch“. Die HRV ist eingeschränkt.

Dr. Servan-Schreiber weist darauf hin, dass die Beziehung zwischen Limbischem System und dem Herzen keine Einbahnstraße ist, sondern einer der Schlüssel zur emotionalen Intelligenz: „Wenn wir- im buchstäblichen Sinne- lernen, unser Herz unter Kontrolle zu bringen, lernen wir unser emotionales Gehirn zu zähmen und umgekehrt.“

 

Depressive Patienten haben im Vergleich zu Gesunden oft eine höhere Herzfrequenz und eine eingeschränkte HRV. In einer Studie an herzgesunden Studenten zeigte Hughes und Kollegen, dass depressive Zustände die Herzfunktionsparameter unmittelbar beeinflussten. Die eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit depressiv Erkrankter scheint mit einer eingeschränkten kardialen Anpassungsfähigkeit einherzugehen. Eine Verbesserung der psychischen Situation des Patienten ist umgekehrt mit einer besseren Anpassungsfähigkeit seiner Herzfrequenz verbunden.

 

Fazit

Körper und Psyche beeinflussen sich gegenseitig, was sich in einer verringerten HRV durch Depressionen äußern kann. Mit einem speziellen Biofeedback-Training kann Patienten der Einfluss von Stress und Entspannung auf die Steuerung der Herzfrequenz deutlich gemacht werden. Außerdem ist es möglich, das Herz durch dieses Training positiv zu beeinflussen.

Ziel des Biofeedbacktrainings ist also, die körperlichen Auswirkungen von Stress und emotionalen Zuständen wie Depressionen oder Ängsten positiv zu beeinflussen, andererseits aber auch über das Training am Herzen, auf das damit verbundene emotionale Gehirn (Limbisches System) ausgleichend Einfluss zu nehmen.

 

In der Praxis wird diese spezielle Form des Biofeedbacks bei Patienten mit Stress-Folgeerkrankungen oder hoher Stressbelastung durchgeführt. Die Therapie kann sowohl therapeutisch als auch bei Bedarf präventiv eingesetzt werden.

 

Eine weitere Indikation ist die Verbesserung von Funktion und Anzahl der natürlichen Killerzellen (Abwehrsystem) bei Patienten mit eingeschränktem Immunsystem (z. B. Karzinompatienten). Die Effekte des Biofeedbacks werden durch spezielle Laboruntersuchungen vor und nach der Behandlung objektiviert.

 

Außerdem wird das Verfahren begleitend zu einer bestehenden medikamentösen und/oder psychotherapeutischen Behandlung bei Depressionen und Angststörungen eingesetzt.

 

 

 

 

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